30.11.2015

Portrait

Assemble

Foto: Harry Borden

Foto: Harry Borden
Foto: Archiv Architekten

Zwischen Kanal, Schnellstraße, Investorenwohntürmen und alten Lagerhallen ist das Studio der Gruppe „Assemble“ in Stratford im Osten Londons nicht leicht zu finden. Schließlich erreicht man einen kleinen Hof; ein Lieferwagen bringt Bier, um die Ecke liegen die Fragmente eines walfischförmigen Fiberglasboots, eine junge Frau im Overall gießt Kräuter in Bautrögen. Die späte Sonnwendsonne beleuchtet die Fassade eines Neubaus, seine handgefertigten gefärbten Betonplatten schimmern in sanften Pastelltönen. Hier wird morgen die große Party steigen, zur Feier des fünfjährigen Jubiläums des Kollektivs. Alice Edgerley, Mitglied der Architektengruppe, stellt die Gießkanne ab und erzählt: Es soll ein Fest werden für die Mitarbeiter, die Handwerker, Künstler und Kreativen. Sie alle haben eine Rolle gespielt in der Entwicklung von einer Selbstbaugruppe zu einem Architekturbüro, in dem nun auch Wettbewerbe gewonnen werden wie vor Kurzem für die neue Kunstgalerie der Goldsmiths University. Alice führt uns durch die Werkstätten und Büros in ihrem zu den „Sugarhouse Studios“ umgebauten Lagerhaus und zu dem von ihnen neu gebauten „Yardhouse“.

Temporäre Treffpunkte

Assemble ist abgeleitet von Versammeln, Zusammenstellen, Zusammenfügen, Ansammeln – vom Einzelnen zur Gruppe, vom Chaos zur Gestalt. Es ist ein Kollektiv von 18 jungen Leuten, von denen die meisten in Cambridge Architektur studiert haben. Ihr erstes Projekt war die Umwandlung einer ungenutzten Tankstelle in London in ein temporäres Kino, das „Cineroleum“: Vom Tankstellendach wurden silberne Kunststoffbahnen heruntergelassen, um den Kinosaal zu umhüllen, und anschließend nach jeder Vorstellung hochgezogen, um den Blick auf die nächtliche Straße freizugeben. Als nächstes folgte „Folly for a Flyover“, wiederum eine temporäre Struktur, die dazu beitrug, einen Unort aufzuwerten: diesmal eine Stadtautobahnbrücke. Von den Stufen eines mit Holzschindeln verkleideten Häuschens konnte man Filme gucken; farbiges Pflaster schuf einen Platz für Tische und Stühle, es entstanden Werkstatt, Partyraum und Kino. Als Dach diente die Brücke, die Leinwand schwamm auf einem Kanalboot, und Jogger oder Radler auf dem Treidelpfad wurden Teil des Geschehens. Wie auch das Tankstellenkino ist dieses Folie leider wieder verschwunden – inzwischen wächst Unkraut aus den Rissen der Betonplatten.

Assemble steht in der britischen Tradition der „Arts and Crafts“, der Verbindung von Kunst und Handwerk, Architektur und Spontaneität, Entwerfen und Selberbauen. Sie zieht sich von William Morris über Walter Segals „Self-builds“ hin zu einer neuen Generation von sozial denkenden, zupackenden jungen Büros. Hier steht nicht der Bauherr und Investor im Vordergrund – Vermarktung und Optimierung sind nicht so wichtig. Stattdessen geht es um die Nutzer, um haptische Erfahrung und kostengünstige Lösungen.

Foto: Harry Borden

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