29.03.2020

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5 Fragen an … Ralf Niebergall

Ralf Niebergall

Die Berliner Architektenkammer und Baukammer haben diese Woche einen Offenen Brief an Katrin Lompscher geschrieben. Sie appellierten in diesem an die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen sich für die Berliner Planungsbüros einzusetzen und sicherzustellen, dass die in Aussicht gestellten schnellen, nicht rückzahlbaren Beihilfen auch von Architektinnen und Architekten genutzt werden können. Wir haben bei Ralf Niebergall, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, nachgefragt, wie sich die Kammer jetzt aufstellt.

Ralf Niebergall, – mit Bezug auf den Offenen Brief an Katrin Lompscher – muss sich die Profession Sorgen machen?
Mit unserer Vielzahl von kleinen und mittleren Architektur- und Planungsbüros und Solo-Selbständigen sind wir natürlich genauso von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen, wie die meisten der freien Berufe. Wenn Entscheidungen in Ämtern über Baugenehmigungen oder die Fortführung von Planungen nicht getroffen werden, Baustellen stillstehen, weil Arbeitskräfte oder Material fehlen, Rechnungen bei Auftraggebern nicht bearbeitetet werden, geraten die Büros schnell in existenzielle Nöte. Kreditprogramme sind meistens auf größere Unternehmen zugeschnitten und für uns wenig hilfreich. Deshalb ist es notwendig, auch die Architektinnen und Architekten bei Zuschüssen und Hilfsprogrammen für die Kulturwirtschaft einzubeziehen. Vor allem aber müssen Behörden und Ämter, die Vergabestellen für öffentliche Aufträge soweit wie irgend möglich am Laufen gehalten werden.

Manch ein Angestellter befürchtet seinen Job zu verlieren. Was sagen Sie diesem?
Mit der Verbreitung des Corona-Virus verschwinden ja nicht die Bauaufgaben. Linderung der Wohnungsnot in Ballungszentren, das Aufheben des Sanierungsstaus und der Umbau des Gebäudebestands, um Klimaschutzziele zu erreichen, sind nach wie vor dringend. Sie erfordern gewaltige Investitionen. Es wird darauf ankommen, die jetzige Durststrecke zu überstehen und nach der Krise die Weichen für die Ankurbelung der Wirtschaft richtig zu stellen.

Wie organisiert sich die Bundesarchitektenkammer?
Auf der Website der Bundesarchitektenkammer haben wir einen umfangreichen Fragen- und-Antworten-Katalog, der ständig aktualisiert wird. Wirtschaftliche Themen, wie etwa die Antragsmöglichkeiten für Zuschüsse und Kredite, spielen dort ebenso eine Rolle wie rechtliche Fragestellungen. Wir vernetzen uns mit den Architektenkammern der Länder um auch Wegweiser zu den länderspezifischen Programmen aufstellen zu können und um ein Gesamtbild über die Lage und die drängendsten Probleme zu bekommen. Manchmal ist man stundenlang an seinen Laptop gefesselt, weil eine Videokonferenz in die nächste übergeht.

Welche Punkte diskutieren Sie?
Besonders verunsichert, wie man sich in der gegenwärtigen Situation richtig verhält, sind diejenigen, die in der Objektüberwachung Verantwortung auf Baustellen tragen. Diese Kolleginnen und Kollegen mit Antworten auf juristische Fragen zu versorgen und schnellen Zugriff auf Erlasse der Bundesregierung zu verschaffen, ist ein wichtiger Punkt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf unsere Büros so gering wie möglich zu halten, ist natürlich ein ganz großes Thema mit vielen Teilaspekten. Das reicht vom Einfordern wirksamer Zuschussprogramme bis zur Vergabepraxis in „rein digitalen“ Zeiten. Bei letzterem handelt das Bundesbauministerium erfreulicherweise sehr konsequent und hält seine nachgeordneten Behörden dazu an, Planungen fortzuführen und Vergaben nicht zu stoppen. Hoffen wir, dass Länder und Kommunen ebenso handeln, denn wir müssen uns bewusst sein, dass die Nachbeben noch lange anhalten werden, selbst wenn der Shutdown der Wirtschaft nach und nach aufgehoben wird.

Sie sind in der BAK der „Head of Delegation“ der deutschen Delegation im Architects‘ Council of Europe. Welche Themen besprechen Sie hier derzeit?
Im Wesentlichen sind es dieselben wie auf nationaler Ebene. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf unsere Bürostrukturen stehen auch europaweit im Fokus. Aber es gibt auch ganz Konkretes: So ist die Europäische Kommission an den ACE mit der Bitte herangetreten, dass Architektinnen und Architekten beim Aufbau mobiler Krankenhäuser helfen, etwa durch das Angebot modulare Bauweisen, dem Erschließen von 3D-Druckkapazitäten auch für technische Ausrüstungen, oder sogar indem unsere 3D-Techniken für die Simulation der Ausbreitung und des Verhaltens des Corona-Virus genutzt werden. Und uns beschäftigen auch weiterreichende Gedanken, insbesondere hereingetragen von unseren italienischen Kolleginnen und Kollegen, die schon viel länger als wir unter rigorosen Einschränkungen leiden. Resilienz, also das Thema der Widerstandsfähigkeit unserer gebauten und naturräumlichen Umwelt gegen sich verändernde Bedingungen spielte bislang hauptsächlich im Hinblick auf die Bewältigung des Klimawandels eine Rolle. Mit Covid-19 werden wir uns eines ganz neuen Szenarios bewusst, nämlich der Frage ob unsere Städte und gebauten Strukturen auch auf Isolation, temporäres Eingesperrt-Sein und die Einschränkung sozialer Kontakte resilient reagieren können und welche Infrastrukturen vorgehalten werden müssen, um Krisen wie diese besser bewältigen zu können. Fragen, die uns in der Zukunft noch länger beschäftigen werden.

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