11.04.2014

Öffentlich

Wo ist das Verlies?

Vom Nutzen und Nachteil der Denkmalpflege möchte man schreiben, allein Denkmalpflege ist so ein gutes Wort, dass man nicht den leisesten Zweifel an ihrer grundrichtigen Existenz aufkommen lassen möchte. Sie erhält allerdings gerne Beifall von der falschen Seite und wird als Alibi benutzt, auch Neubauten wie Kulissen zum Schützenfest zu errichten. Die Moderne muss ohnehin darben. Ein Reisebericht aus Rheinland-Pfalz mit einigen abschweifenden Beobachtungen.

 

 

Anfang des Jahres erreichte uns die Hiobsbotschaft, dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen die Fördermittel für die Denkmalpflege drastisch gekürzt hat und sie im Jahr 2015 wahrscheinlich vollständig streichen wird. Dazu passt ein Beitrag im Feuilleton der ZEIT von Anfang Mai, der beschreibt, wie in Duisburg die Geldnot der Kommune zur Zerstörung zweier historischer Stadtviertel führt. Was ehemals als „denkmalswert“ oder als „Gebäude mit erhaltenswerter Bausubstanz“ zählte, ist nichts mehr wert, und es wird befürchtet, dass der Vorgang als beispielhafte „Lösung“ für künftig anstehende Sanierungen gelten könnte, wenn man der Allgemeinheit die renditemageren Kosten einer Instandsetzung ersparen möchte. Zwar wird noch nicht wie zur Wirtschaftswunderzeit der flächendeckende Abriss propagiert, dafür liest sich „die gezielte Entfernung einzelner Objekte“ wie die vorausschauende Amputation von krankhaft befallenen Gliedmaßen. Klar, ohne Denkmäler kann man auch die Gelder für die Denkmalpflege kürzen. Ursula Baus kommentierte dazu im Portal German Architects: „Der Denkmalschutz wurde politisch entmachtet, um die Hürden für Investoreninteressen abzubauen.“ Damit bezog sie sich auf die Maßnahme, in Baden-Württemberg das Landesamt für Denkmalpflege dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft unterzuordnen und ihm damit in wichtigen Angelegenheiten (Stuttgart 21) einen Maulkorb zu verpassen. Der Denkmalpflege wird also entweder das Geld genommen oder die Weisungsbefugnis entzogen. So ganz genau kann man die Rolle der Denkmalämter aber gar nicht beschreiben, falls man nicht die Knüppelstrecke eines Referendariats absolviert hat, weil sie in jedem Bundesland anders organisiert sind. In Rheinland-Pfalz gibt es eine Generaldirektion Kulturelles Erbe, bei der eine Abteilung Landesdenkmalpflege angesiedelt ist. In Nordrhein-Westfalen untersteht das Amt dem Landschaftsverband Rheinland.

Wenn man sich die Organigramme der einzelnen Länderregierungen anschaut, könnte man vermuten, dass sie den schwierigen Umgang mit dem Gegenstand Denkmal naturgetreu abbilden. Die Zuständigkeit kann nämlich nicht nur regional, sondern auch nach Inventarisation, Dokumentation, Baukunst und Rechtssprechung in Abteilungen, Referate oder Dienststellen unterteilt sein. Im Grunde geht es um alte Architektur im weiten Sinn, um nichts anderes. Drum widmete sich im April das Online-Portal bKult der Bundesstiftung Baukultur der Frage: „Brauchen wir weniger Denkmalschutz?“, wohl bewusst provozierend formuliert, um Beiträge zu erhalten. Und erwartungsgemäß äußerten selbst die Ja- und Jein-Stimmen, dass man zwar Denkmalschutz brauche, aber einen anderen, der sich wirkungsvoller der alten Bausubstanz annehme, nicht bloß leidenschaftlich Pretiosen sammele, sondern für erhaltenswerte Gebäude frühzeitig eine ressourcenschonende Nutzung suche, weil deren Energieeffizienz den heutigen Bauten bauphysikalisch überlegen sei; darüber hinaus einen Denkmalschutz, der auch Naturschutz und soziale Werte einbeziehe, also die Assoziationen und Erinnerungen, die die Gesellschaft mit bestimmten Gebäuden verbinde. Vor allem richtete sich die Kritik gegen die auf Hochglanz lackierten Einzeldenkmale, zu deren Gunsten Proportion und Ordnung, Strukturen und Dimensionen in der Stadt vernachlässigt würden. Ganz schlimm ergehe es der ungeliebten Nachkriegsmoderne, die man ignoriere und zur Ablenkung andernorts komplette Schlösser aufbaue. Also Vorsicht! Nützliche Denkmäler Uns soll hier weniger die bauhistorische Kasuistik interessieren, sondern die Einmaligkeit dieser Bewahrungsdoktrin in ihrer widersprüchlichen Umgebung, in der alles und jedes auf Fortschritt, Veränderung und Umsatz ausgerichtet ist. Dem widmete sich auch die 37. Pressefahrt des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz unter dem netten Titel „Urlaub fürs Denkmal. Denkmalpflege und Tourismus“.

Mehr dazu im Baumeister 11/2013

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