29.01.2015

Portrait

Vision und Realität – Architektur von LAVA

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Dieses Zitat stammt von Altbundeskanzler Helmut Schmidt und ist die etwas patzige Antwort auf die Frage eines Journalisten nach der großen Vision seiner damaligen politischen Agenda.

Auf die Architektur übertragen beschreibt es ziemlich genau die derzeitige deutsche Architekturproduktion, die sich größtenteils durch ein Fehlen derselbigen auszeichnet. Trotzdem gibt es immer wieder Büros, die sich auf neuen Pfaden versuchen. Eines davon ist das junge Architekturbüro LAVA, dem die Architekturgalerie München jetzt eine Einzelschau gewidmet hat.

Tobias Wallisser von LAVA
Alexander Rieck von LAVA
Fassadenmodell des Sipchem Product and Application Development Center
Die Fassade ist gerade im Bau
Corniche Tower in Abu Dhabi
Modell Jugendherberge Bayreuth
Solartankstelle in München

LAVA steht für Laboratory for Visionary Architecture und das beschreibt den Charakter und Ansatz des Büros auch ganz gut: Als internationales Netzwerk von Chris Bosse, Alexander Rieck und Tobias Wallisser 2007 gegründet, ging es LAVA von Anfang an um Grundlagenforschung an der Schnittstelle zwischen Mensch und Natur in Verbindung mit dem Einsatz neuer Technologien. Dass dies auch grenzübergreifend funktioniert, zeigen die Bürostandorte in Berlin, Sidney und Stuttgart.

Die Internationalität des Büros und die Idee des Netzwerks als Plattform für den Wissensaustausch und die Entwicklung neuer Ideen macht LAVA zu den prototypischen Vertretern einer neuen Architektengeneration, die globalisiert denkt und deren verbindendes Element die Digitalisierung ist. Dementsprechend ist das parametrische Entwerfen auch kein Fremdwort im Entwurfsprozess.

Die Ausstellung in München zeigt nun exemplarisch eine Auswahl an Projekten, manche davon gerade im Bau, andere noch im Projektstadium. Die Bandbreite reicht vom Forschungscampus in Saudi-Arabien über Prototypen für Solartankstellen bis hin zur Entwicklung eines neuen Typus von Jugendherbergen für das deutsche Jugendherbergswerk.

Ein erster Schritt ist dabei immer die Forschung. So auch beim „Sipchem Product and Application Development Center“ in Saudi-Arabien, einem Labor und Bürogebäude für das Chemieunternehmen Sipchem, bei dem LAVA eng mit dem Fraunhofer-Institut zusammenarbeitete.

Das Gebäude selbst ist eine einfache Kiste, ein viergeschossiger Quader mit einem zentralen Innenhof. Eine nicht unbedingt innovative Gebäudetypologie, die sich im Innern allerdings aus flexiblen Modulen zusammensetzt, die unterschiedliche räumliche Konfigurationen und damit vielfältige Nutzungen und Arbeitsformen ermöglichen. Die öffentlichen Bereiche passen sich den klimatischen Bedingungen an und sind als Terrassen um den Innenhof angeordnet.

Der eigentliche Blickfang des Gebäudes ist die Fassade: Sie besteht aus großen, gefrästen Styroporblöcken, einem Material, das der Bauherr selbst produziert, wodurch die Fassade zum Ausstellungsstück des Unternehmens wird. Die unterschiedliche Dicke der Blöcke verleiht der Kiste eine skulpturale Gesamtform, lässt die ursprüngliche Geometrie aber ablesbar – ein dekorierter Schuppen, wie Robert Venturi sagen würde.

LAVA forscht allerdings nicht nur für die eigenen Gebäude. Aufgrund der jahrelangen Beschäftigung mit parametrischen Fassaden berät das Büro mittlerweile auch Firmen wie Schüco bei geometrisch anspruchsvollen Fassadensystemen, beispielsweise beim Corniche Tower in Abu Dhabi.

Es ist gerade diese Leerstelle zwischen Gestalter und Ingenieur, Fachplaner und Architekt, die das Büro mit neuen Ideen füllt. Dort ist auch das Visionäre zu finden, das noch bis zum 14. Februar in der Architekturgalerie München zu besichtigen ist.

Helmut Schmidt wollte übrigens ursprünglich Architekt werden. Vielleicht würden ihm LAVA’s Visionen ja doch gefallen.

Fotos: Saskia Wehler

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