23.06.2015

Gewerbe

Nichts für Mimosen

Eike Becker

Die Stimmung im Flugzeug ist beschwingt, wie bei einer Klassenfahrt. Die meisten kennen sich von diesen Ausflügen seit Jahren. Nach der Landung geht es mit dem Fahrer nach Cannes. Vorbei an Palmen und Segelschiffen, die warme Nachmittagssonne spiegelt sich auf den glitzernden Wellen des Mittelmeeres. Am Horizont ist ein kleiner dunkler Punkt zu erkennen. Ein Hubschrauberflug direkt von Nizza Airport auf die Mipim nach Cannes. Flugzeit: 7 Minuten, 510 € für drei Personen.

Das Hotel liegt zentral, ist abgerockt, plüschige Vorhänge im winzigen, altrosa gestrichenen Zimmer simulieren gehobene Klasse. Aus dem Bad riecht es nach Schimmel. Bis vor ein paar Jahren hatte ich jeweils Ferienwohnungen gemietet. Die Appartments wurden von Jahr zu Jahr teurer und armseliger, bis ich dann einem Betrüger aufgesessen bin und trotz Anzahlung auf der Strasse stand. Kein Einzelfall. Cannes ist kein Ort für Mimosen oder zartbeseitete Sommerfrischler. Hier wird entschieden zugegriffen. Sorgen über ausbleibende Gäste macht sich keiner.

Zur Eröffnung ist der deutsche Pavillon proppe voll. Reiner Nagel, Vorsitzender der Bundesstiftung Baukultur spricht eloquent und stolz über den Baukulturbericht 2014/15. Zu Recht. Der deutsche Botschafter lässt sich vertreten. Auch Jürgen Meyer H, Sauerbruch Hutton, Michael Schumacher, Rainer Schmidt, Lava, Jan Kleihues, Auer und Weber, Eller und Eller sind an Bord. Es geht auf grosse Fahrt: 22.000 Besucher und 5500 Unternehmen aus über 90 Ländern bieten sich als mögliche Geschäftspartner an. Das sollte für Alle reichen. Ein Architekt braucht nicht einmal 50 Auftraggeber in seinem Leben.

Diverse Termine später dusche ich im Hotel den verschwitzten Tag ab und telefoniere mit der Familie. Alle denken ich würde Urlaub machen.

Dann geht es mit dem Bus vom Hafen in ein Restaurant am Strand. Die Gastgeber sind charmant und erfreuen Ihre Gäste mit einer extrem kurzen Ansprache. Die Expansion ins Ausland scheint gelungen. Es gibt bereits einen Tisch mit den neuen Kunden aus England, Frankreich, Italien und Spanien. Mein Tischnachbar beeindruckt mit einer eigenen Evolutionstheorie: die Entwicklungslinie in der Immobilienwirtschaft geht so: Architekt, Makler, Projektentwickler und  der Investor als Krone der Schöpfung. Auf meine Anmerkung, dass alle intensiv zusammenarbeiten müssen, um erfolgreich zu sein, antwortet er mir: “Ich brauche hier keine Couch und auch keinen Therapeuten!“ Seine Kollegin staunt wie ich über so viel Selbstvertrauen.

Ja, daran mangelt es der Branche in diesen Boomzeiten nicht. Manch einer fühlt sich an 2007 erinnert, als auf grenzenlose Euphorie der Absturz folgte. Die Erfahrung rät zur Vorsicht, aber konkrete Argumente für eine bevorstehende Trendwende kann keiner nennen.

Mein Hotelzimmer ist immer noch altrosa gestrichen. Wenn meine Nachbarn nachhause kommen, habe ich die Befürchtung, sie schliessen meine Tür auf und stehen gleich vor meinem Bett. Keine Schallschutz-Normen weit und breit..

Am nächsten Tag habe ich 15 Termine und eine Gesprächsrunde. Morgen bin ich heiser.

Am Donnerstag ist auf dem Deutschen Stand Deutsche Stunde. Dr Elisabeth Merck, Stadtbaurätin in München  berichtet von ihrem Kampf mit den charmanten Männern in den dunklen Anzügen, die in der Regel ganz viel für die Grundstücke zahlen, ganz puff peng schnell mehr Baurecht wollen, aber bereits vor Erteilung der Baugenehmigung neue Männer in dunklen Anzügen vor ihr sitzen, die noch mehr für dasselbe Grundstück gezahlt haben und noch mehr Baurecht wollen.

Auch ich sehe diese wundersame Art der Geldvermehrung nicht gerne. Mit jedem Zwischenhandel bleibt weniger für die Architektur.

Nach dem Abendessen gehts auf ein Schiff mit Saxophonspielerin. Dort erfahre ich, dass der Auftraggeber, mit dem ich am Tag vor der Mipim den Architektenvertrag für den gewonnenen Wettbewerb unterschrieben habe, das Grundsstück mit unserer noch zu erstellenden Planung bereits wieder so gut wie verkauft hat. Der Käufer verhandelt  auch schon mit einem neuen Käufer für das dann fertiggestellte Gebäude.

Von dieser Hans im Glück Geschichte oder von dem biotonischen Getränk schwirrt mir schon der Kopf. Als die Musik auf dem Nachbarboot die Saxophonspielerin zu übertönen beginnt verlasse ich das schwankende Schiff.

Scroll to Top