16.11.2016

Portrait

Menschlichkeit – Interview mit Tomas Koolhaas

Die Zuschauer bekommen eine neue Seite von Rem Koolhaas zu sehen: Er zeigt sich erstmals ratlos und verletzlich.

Baumeister: Was hat Sie dazu bewogen, einen Dokumentarfilm über Rem Koolhaas zu machen?
Tomas Koolhaas: Na ja, er ist schließlich mein Vater.

B: Das ist aber nicht automatisch ein Grund.
T K: Stimmt. Ich mache aber schon seit einer ganzen Weile Filme, und im Laufe meiner Karriere habe ich mich zunehmend auf Projekte konzentriert, die in der Gegenwart angesiedelt sind und die Dinge unverfälscht zeigen. Verschiedene Leute meinten zu mir, ich solle zusammen mit meinem Vater etwas machen, und irgendwann habe ich dann gesagt: „Ok, lass uns gemeinsam diesen Film machen.“ Aber mehr als alles andere war der Grund ein anderer: Das, was es an Dokumentarfilmen über Rem und über Architektur generell bereits gibt, hat meines Erachtens eine Leerstelle hinterlassen. Es war eine Gelegenheit, die beteiligten Menschen einzubeziehen und die menschliche Seite seiner Arbeit zu zeigen – diese Chance wollte ich nicht verpassen.

Fotos: Tomas Koolhaas
Der Dokumentarfilm über Rem Koolhaas zeigt seine Arbeiten und die menschlichen Geschichten dahinter.
Die Seattle Public Library, die Villa dall’Ava und das Maison à Bordeaux nehmen eine prominente Rolle in dem Film ein.
Die Zuschauer bekommen eine neue Seite von Rem Koolhaas zu sehen: Er zeigt sich erstmals ratlos und verletzlich.

B: Was ist Ihrer Ansicht nach das Problem bei diesen anderen Dokumentarfilmen über Architektur?
T K: Sie konzentrieren sich in der Regel auf zwei Aspekte: Der eine ist die Biografie des Architekten – wo er geboren wurde, was die Eltern gemacht haben – sowie eine Theorie, die nachträglich erklärt, wie der Architekt dazu gekommen ist, diese ganzen Gebäude zu entwerfen. Der andere Aspekt sind dann die rein technischen und ästhetischen Eigenschaften der Bauwerke. Es gibt kaum Interesse für das, was mit einem Gebäude nach Inbetriebnahme passiert. Niemand filmt die Geschichten, die entstehen, wenn Menschen ein Gebäude nutzen. Für mich ist aber das gerade am interessantesten.

B: In „Rem“ bekommt der Zuschauer eine Seite Ihres Vaters zu sehen, die normalerweise nicht gezeigt wird. Es gibt Momente, in denen er voller Zweifel ist, fast ratlos wirkt, ganz im Gegensatz zu dem „coolen“ und gefassten Bild, das man sonst von ihm hat.
T K: Das Tolle an dem Film ist gerade, dass er so subjektiv ist. Es gibt nirgendwo sonst Filmaufnahmen, die ihn in einer derartigen Verletzlichkeit und in Momenten der „Ratlosigkeit“ zeigen, auch wenn ich das nicht notwendigerweise so beschreiben würde. Es kann sein, dass dies die einzige Gelegenheit bleiben wird, in der man Rem so zu sehen bekommt, also mit dieser wirklich großen Ehrlichkeit, wo er zum Beispiel auch negative Gefühle zu einem Projekt, an dem er gearbeitet hat, zulässt. Er gehört nicht zu den Leuten, die völlig locker sind, wenn man ihnen eine Kamera ins Gesicht hält, besonders dann nicht, wenn er die Person nicht kennt. Diese Seite von ihm konnte wirklich nur ich einfangen.

B: War es schwierig, Ihren Vater davon zu überzeugen, den Film zu machen?
T K: Wir hatten am Anfang beide Vorbehalte. Was mich letzten Endes dazu gebracht hat und auch Rem überzeugt hat, seine Zustimmung zu geben, war die Tatsache, dass der Film ein anderes Verständnis von Architektur zeigen und eine Alternative zu einem ganzen Genre von Architekturdokumentationen sein würde.

Mehr dazu finden Sie im Baumeister 11/2016

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