03.08.2015

Hotel

Mannheim, Hotel Speicher 7

Das Haus ist vom Bahnhof aus zu Fuß gut zu erreichen, auch ein Schlossbesuch macht keine Umstände. Allerdings gerät der Weg bei Nacht unter den verschlungenen Schnellstraßenzubringern zu einer Mutprobe, zumal das Hotel im Rheinhafen lediglich mit einer unauffälligen Flagge auf sich aufmerksam macht. Eigentlich sollte man mit dem Schiff anreisen, dann sieht man vom Fluss aus das riesige Photovoltaikfeld, das dem mit welligem Cortenblech verkleideten Gehäuse ein Gesicht gibt. Im Dachgeschoss mit umlaufendem Fensterband residieren die Architekten Schmucker + Partner – sie haben den Speicher aus den 1950er Jahren um- und zwei Hoteletagen eingebaut.

Die Lobby empfängt als dunkle Bar; wenn man tagsüber anreist, kann man sich nicht vorstellen, dass es hier jemals voll werden könnte. Aber abends brummt der Laden (obwohl die Tapas nach Schonkost schmecken), das Gästebuch versammelt die Prominenz aus Film, Funk und Fernsehen, selbst der Bundespräsident gab dem Haus schon die Ehre. Die Ausstattung erinnert sehr an das 25hours in der Hamburger HafenCity (siehe Baumeister B3/2012), nur dass wir es in Mannheim tatsächlich mit einem authentischen Speicher zu tun haben. Der Umbau der 20 Hotelzimmer verdrängt nicht den kruden Charme der Industriearchitektur, überall entdeckt man ein technisches Relikt der früheren Nutzung. Das Betonskelett wurde nur ausgebessert, aber nicht wohnlich gezähmt, auf dem Zementestrich liegen Teppiche. Die Heizung verbirgt sich in der Decke. Sie wird von einer Wärmepumpe versorgt, die ihre Energie von der Photovoltaikfassade erhält. Das dafür notwendige Wasser wird zwei Brunnen entnommen und in den Rhein zurückgeleitet. Alle neuen Einbauten sind deutlich erkennbar, helles Eichenholz bildet einen sachlichen Kontrast zu den groben Speicherkonturen.

Die Ausstattung der Zimmer nennt man heute wohl Vintage. Es handelt sich um gebrauchtes Mobiliar, das wir aus den 1950er und 60er Jahren kennen: aha, der Eames-Lounge-Chair, das Stringregal, der Saarinen-Stuhl. Dazu verteilen sich jede Menge Spiele, Spielzeug, Bücher und Zeitschriften in und auf den Möbeln, die vom derben Gebrauchsgut der Schauerleute ergänzt werden. Das allerdings erzeugt in diesen unfriedlichen Zeiten ein merkwürdiges Gefühl. Man kommt sich vor wie ausgebombt, als hätte man mit seinem geretteten Hausrat eine notdürftige Unterkunft in einem Bunker gefunden, in dem im Flur noch die Einschlaglöcher zu sehen sind. Jedes Zimmer besitzt einen anderen sperrigen Charme, es kann endlose Matratzenpolster bieten oder eine Badewanne mit Aussicht, eines kapriziert sich mit einer goldenen Balkonvolute an der Fassade. Glück hat man zur Rheinseite, hier kann man in einer tiefen dreifach verglasten Fensternische sitzen und Schiffe beobachten. Dass gegenüber nur Ludwigshafen liegt, nimmt man in Kauf. Die Betten sind ohne Tadel, auch die Unterhaltungselektronik und der Yoga-Raum mit Sauna, was man bei den gediegenen Zimmerpreisen auch erwarten darf. Das Frühstück in der finsteren Bar entspricht den Tapasbemühungen, das Personal reagiert auf Kritik zuvorkommend ratlos.

Adresse

Speicher 7 – Hafen-Hotel & Bar
Rheinvorlandstaße 7
68159 Mannheim
Tel.+49 621 1226680
www.speicher7.com

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