23.07.2014

Hotel

Lodz, Andel`s Hotel

Das „polnische Manchester“ war die Boomstadt des gründerzeitlichen Polens – mit allen kapitalistischen Licht- und Schattenseiten. Einer der Fabrikbauten vom Ende des vorletzten Jahrhunderts wurde von OP Architekten zu einem imposanten Hotel umgebaut.

Die Textilindustrie hatte Łódź groß gemacht: 1904 zählte man 546 Fabriken mit 70.000 Arbeitern. Bis 1939 lebten Polen, Deutsche, Russen und Juden in geschäftiger Koexistenz Tür an Tür. Die 1887 von Izrael Pozńanski errichtete Textilfabrik war eine der größten – seine Weberei erinnert in ihren Abmessungen an einen Ozeandampfer. Der Koloss aus roten Ziegeln ist fast 200 Meter lang, 33 Meter hoch und hat über sieben Stockwerke. Seit den 1990er Jahren stand er leer. Dass dem Gebäude nun ein zweites Leben als Vier-Sterne-Hotel vergönnt ist, liegt am Wagemut österreichischer Investoren und dem Enthusiasmus der Architekten Wojciech Popławski und Andrzej Orlinski von OP Architekten aus Wien/Warschau.

Andel’s Hotel Lodz gehört zur österreichischen Hotelkette „Vienna International Hotels“ – ein großes Unternehmen zwar, dennoch legen die Hoteliers Wert auf individuelle Häuser. Für den Zweck eines multifunktionalen Hotels erwies sich die schiere Größe des Ziegelpalasts letztlich als Trumpf: Im Gebäude fanden nicht nur 278 Zimmer und Suiten Platz, sondern auch ein 3.100 Quadratmeter großer Konferenzbereich. In der Längsachse des Gebäudes schnitt man einen ellipsenförmigen Lichthof in die Geschosse, der dem Haus einen willkommenen vertikalen Akzent gibt. Das Spa mit Schwimmbad setzten die Architekten als gläsernen Querriegel in die Dachlandschaft des Gebäudes, so dass man beim Schwimmen weit hinaus bis zu den Plattenbauten am Stadtrand schaut. Im Restaurant im Erdgeschoss dagegen diniert man zwischen vier Meter hohen gusseisernen Stützen, keine abgehängte Decke versperrt den Blick auf die preußischen Kappen, die Stahl-Ziegel-Decken der Gründerzeit.

Die Behaglichkeit der Zimmer kontrastiert deutlich zu dem recht herben Charme der Industriebauten und den alten Mietskasernen im Quartier ringsum. Doch tilgte man auch in den Zimmern keineswegs die Spuren der Vergangenheit: Als ich in meiner Suite die schweren Vorhänge zur Seite schob, staunte ich nicht schlecht, dahinter eine große unverputzte Ziegelwand mit Jahrzehnte alten Farbresten zu entdecken.

Es erwies sich als Glücksfall, dass der Investor Alexander Jurkowitsch den Architekten nicht nur bei solchen Details freie Hand ließ, sondern sie ermunterte, mit befreundeten Galeristinnen ein Kunst-Konzept für das Haus zu entwickeln. Es setzt auf polnische Gegenwartskünstler wie die Fotografin Ula Tarasiewicz, deren großformatige Gruppenbilder Warschauer Arbeiterkinder nun im Frühstückssaal des Hotels hängen. Die blonden Knirpse in Hosenträger und Feinrippunterhemd, die etwas skeptisch in die Kamera blicken, bilden eine spielerische Referenz an die proletarische Vergangenheit des sandgestrahlten Gemäuers.

Adresse

Andel’s Hotel Lodz
ul. Ogrodowa 17
91-065 Łódź
Polen
www.vi-hotels.com/de/andels-lodz/

Fotos: Ula Tarasiewicz, Wallpxotex

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