05.11.2015

Gewerbe

“Hybridhochhäuser” – alter Wein in neuen Schläuchen?

Hybride Hochhäuser, also Hochhäuser mit unterschiedlichen Nutzungsarten, scheinen der neueste Trend in der Immobilienszene zu sein, der nun nach Deutschland schwappt. Projekte wie das „Upper West“ in Berlin, welches Gastronomie- und Veranstaltungsflächen, Läden, Büros und Hotel vereinen wird, oder das noch namenslose Hochhaus mit Wohnungen, Büros und Gastronomie, das der Investor Tishman Speyer im Frankfurter Bankenviertel plant, sind womöglich Vorboten einer neuen Gattung von Gebäuden, die unsere Innenstädte künftig prägen werden.

Neu ist die Idee, mehrere Funktionen in die Höhe zu stapeln, nicht – jedenfalls nicht global betrachtet. Wer durch die Innenstädte internationaler Metropolen schlendert, bekommt eine Vorstellung: In Hongkong beispielsweise, der am stärksten verdichteten Stadt der Welt, ist es völlig normal, dass ein Hotel, sagen wir, die Etagen 12 bis 17 eines dreißiggeschossigen Hochhauses belegt. Wer zum Essen in ein Restaurant will, steigt einfach in den Lift und fährt ein paar Stockwerke tiefer. Den Aufzug teilt man sich mit den übrigen Hausbewohnern, deren Wohnungen meist in den obersten Etagen liegen. Und im Erdgeschoss finden sich Einzelhandel und Dienstleistungen, also etwa Reinigung, Garküche, Modegeschäft. So reiht sich Hybridhochhaus an Hybridhochhaus.

Auch in Deutschland ist das Schlagwort „Urbanität durch Verdichtung“, das jetzt von Stadtplanern wie Investoren gleichermaßen bemüht wird, nicht neu. Schon in den 1950er und 60er Jahren hat man vielerorts Hochhaussiedlungen an den Stadträndern hochgezogen, um die Wohnungsnot zu lindern. Wohnen, Arbeiten, Handel und Freizeit auf engstem Raum, das war der Plan. Doch das Konzept ist gescheitert; statt „neuen Städten“ sind viele soziale Brennpunkte entstanden, wie etwa in Köln-Chorweiler, Nordrhein-Westfalens größter Plattenbausiedlung, zu besichtigen ist: Die Wohntürme gammeln vor sich hin und weisen einen immensen Sanierungsstau auf. Wer es sich leisten kann, zieht weg.

Diesmal soll aber alles anders werden. Denn die Investoren bringen ihre Hochhäuser und Wohntürme in zentrale Innenstadtlagen. An B-Standorte und Stadtrandlagen wagt man sich nicht heran, denn zu hoch ist das Risiko, die Gebäude am Ende nicht gut vermarkten zu können. Das Berliner Upper West, ein 250 Millionen Euro schweres Projekt der Strabag Real Estate, wirbt mit seiner zentralen Lage am Kurfürstendamm. Im Frühjahr 2017 soll der von Christoph Langhof und KSP Jürgen Engel Architekten entworfene Turm bezugsbereit sein – mit 118 Metern eines der höchsten Gebäude der Hauptstadt.

In Frankfurt plant der Projektentwickler Tishman Speyer, durchaus bekannt für spekulative Investments, derzeit ein Hochhaus, das Wohnen und Arbeiten mitten im Bankenviertel vereinen soll. Tishman Speyer hat sich in einem internationalen Bieterverfahren um das Grundstück an der Großen Gallusstraße, auf dem früher das ehrwürdige Bankhaus Metzler seinen Sitz hatte, durchgesetzt – mit einem Konzept, das nach Worten von Branchenkennern in Deutschland bislang einzigartig ist: Die unteren Etagen des von der Bjarke Ingels Group (BIG) entworfenen Hochhauses sollen etwa Restaurants und Cafés einnehmen, dann folgen Büroetagen, und ab 67 Meter Höhe sind auf acht Etagen Mietwohnungen geplant. Die leicht versetzten Wohnetagen verpassen dem Hochhaus einen charakteristischen Knick. Ab etwa 94 Meter Höhe schließt der Turm wieder mit Büros ab. Bis 2018 soll er bezugsfertig sein. Eine Vorvermietung gab es zuletzt nach Angaben von Tishman Speyer noch nicht.

Die Stadt Frankfurt freut sich, dass Tishman Speyer und BIG einen globalen Trend nach Deutschland bringen. Von dem Hybridhochhaus versprechen sich die Stadtplaner eine Belebung des Bankenviertels, auch in den Stunden nach Büroschluss. Doch ganz so freiwillig macht sich Tishman Speyer nicht zum Vorreiter einer neuen Innenstadt: Die Stadt Frankfurt hatte nämlich unmissverständlich klar gemacht, dass sie sich für diesen Standort eine Wohnnutzung vorstellt.

Denn so wünschenswert hybride Hochhäuser in den Innenstädten aus Sicht der Stadtplaner auch sein mögen, für Entwickler und Investoren sind sie ein durchaus riskantes Geschäft. Sollen die Büros und Wohnungen attraktiv für künftige Mieter sein, braucht es eine möglichst zentrale Lage – was allerdings mit hohen Grundstückskosten einhergeht. Auch erfordert die Mischnutzung eine kompliziertere und damit teurere Planung als etwa bei einem reinen Büroturm.

Die hybriden Hochhäuser werden deshalb vorläufig wohl nur etwas für wagemutige Investoren bleiben. Aber wenn diese mit ihren Projekten Erfolg haben, werden andere, risikobewusstere, nachziehen. Und unsere Innenstädte werden ihr Gesicht verändern.

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