28.08.2014

Wohnen

Hinter dem Vorhang

Immer noch gibt es keine guten Nachrichten aus Spanien. In Katalonien ist die Zahl der errichteten Wohneinheiten seit Beginn der Krise um 93 Prozent eingesackt, der Wohnungsbau liegt noch immer komatös danieder. Diese flächendeckende Entwicklung scheint aber nicht das kleine Segment der luxuriösen Eigentumswohnungen zu berühren. Als Beleg für diesen Befund kann Josep Lluís Mateos Apartmenthaus im innerstädtischen Sant Gervasi-Viertel gelten.

Zwar wohnen die reichen Barceloneser traditionell lieber in den höher gelegenen, ruhigen Wohngegenden. Doch die Prioritäten städtischen Wohnens haben sich verändert: Viele ziehen Stadtviertel mit besserer Infrastruktur und urbanem Leben vor. Für diesen Typus baute Mateo nahe der achtspurigen Avenida Diagonal, in der kleinen Seitenstraße Passatge Marimon, die geeigneten Residenzen: keine Wohnhöhlen als Rückzugsoasen vor dem großstädtischen Trubel, sondern kleine, clevere Appartements für bescheidene Ansprüche und große Geldbeutel.

So konnte sich Josep Mateo beim Neubau in der Lücke auf vier Appartements beschränken: zwei Wohneinheiten pro Geschoss, mit Grundrissen zwischen 40 und 50 Quadratmetern. Doch gemäß den Erwartungen an Luxusappartements hat Mateo die gewohnten Standards weit übertroffen. Die zum Innenhof ausgerichteten Wohnungen verfügen über eine durchlaufende Glasfassade mit dahinter liegendem Balkon. Gute Sonnenlicht-Ausbeute ist also gewährleistet.

In den unwesentlich kleineren Appartements, mit Blick auf den Hof des Gebäudeblocks, breitet sich eine Wohnzone im Mittelgang aus, die offen mit der Fensterzone und zwei angrenzenden Raumkompartimenten verbunden ist. Lediglich Schiebetüren regeln die gewünschten Grade zwischen Offenheit und Intimität.

Die zur Straße ausgerichteten Appartements bieten den eigentlichen Blickfang des Gebäudes. Der Betrachter fühlt sich sogleich von den mallorquinischen Jalousien angezogen, deren traditionsgemäße Herstellung Josep Mateo allerdings stark veränderte. Denn die hölzernen Brise-soleils bedecken die Fensterfront beider Wohngeschosse und spannen sich fast bis zur Gebäudekante. Die vorgehängte Jalousiewand weist außerdem darauf hin, dass die Fassadenstruktur zwei ganz unterschiedliche Gebäudehälften zusammenführt – einen privaten und einen gewerblichen Bereich. Sigmund Freud verglich einmal die abziehbaren Schichten des Wunderblocks mit den verborgenen Schichten des Unterbewussten. Auf diese Weise müsste man auf dem Passatge de Marimon hinter die Fassade schauen können: Erst dann entbirgt sich die wahre Struktur des Gebäudes.

Mehr dazu gibt es ab 1. September im Baumeister 9/2014.

Fotos: Adrià Goula

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