05.11.2014

Wohnen

Dänische Kehrtwende

Isbjerget

Aarhus wappnet sich. Die zweitgrößte dänische Stadt wächst kontinuierlich seit 
25 Jahren und 
erwartet 75.000 Einwohner mehr bis 2030. 
Wohnungen und Arbeitsplätze 
werden gebraucht, aber nicht zu 
jedem Preis: 
Ein Umdenken im 
Planungsprozess betrifft auch eines der wichtigsten Neubaugebiete, den ehemaligen Containerhafen mit dem Leuchtturmprojekt „Eisberg“.

2030 hat sich die Stadt als magische Jahreszahl gesetzt. Bis dahin will Aarhus CO2-neutral wirtschaften, gleichzeitig Arbeitsplätze in den Kerngebieten Gesundheit, Nahrungsmittel, IT und Energietechnik ausbauen und für die stetig wachsende Zahl von Einwohnern Wohnungen schaffen. Gute Aussichten, auch für junge Architekturbüros, die auf talentierten Nachwuchs aus der Architekturfakultät von Aarhus bauen können – eine Schule mit ausgezeichnetem Ruf.

Allerdings erhielt der Ehrgeiz der Stadt frühzeitig einen Dämpfer. Die Planungen für 2030 hatten bereits 1999 mit Wettbewerben für mehrere Gebiete in der Stadt und den Vororten begonnen. Auch ein Masterplan für das prestigeträchtigste und für alle sichtbare freie Gelände gehörte dazu: die etwa ein Quadratkilometer große Brache des ehemaligen inneren Containerhafens.

Dann kam die Finanzkrise. „Glücklicherweise“, meint Jens Bager vom Stadtplanungs- und Architekturbüro Sleth in Aarhus: „Man ist dort falsch vorgegangen: Die Parzellen waren zu groß, die Dichte war zu hoch für unsere mittelgroße Stadt – sogar ein Hochhaus war geplant! Es ging nur um maximale Rendite.“ In der Krise strauchelten dann einige Investoren, Bauprojekte wurden verzögert. So wurde die Stadt zum Nachdenken gezwungen. Ungewöhnlich ist, dass sie auch daraus gelernt hat.

Der Masterplan änderte sich, es entstand das Programm „Rethink“: Nun wird das Augenmerk auf eine bessere Mischung der Bewohner, das Funktionieren als Stadtviertel, öffentliche Plätze und Landschaftsplanung gelenkt; dazu werden Faktoren wie Umweltschutz, Verkehr und das Parken wichtiger – eine Straßenbahnlinie wird derzeit gebaut. Und nicht zuletzt wird auf Maßstab und Qualität der Architektur geachtet.

Zu den ersten und aufsehenerregendsten Projekten im Nordhafen gehört der Wohnkomplex „Eisberg“. Seine markante Gestalt ist zum Wahrzeichen geworden, zum werbewirksamen, international bekannten Symbol für das ganze Gelände. Wenn ein Gebäude den Begriff „Signature Building“ verdient, dann ist es das. Es wurde 2013 fertig gestellt, obwohl der Entwurf von 2007 stammt – die Finanzkrise verzögerte auch dieses Projekt um einige Jahre.

In der außergewöhnlichen Lage an der Spitze der Landzunge mit großartigem Blick auf den Hafen und die See war es den Architekten des Teams JDS, Cebra, Search und Louis Paillard ein Anliegen, für möglichst viele Apartments Aussicht und Sonne zu sichern.

Der Eisberg setzte Aarhus, wie man so schön sagt, auf die architektonische Landkarte. Weltweites Aufsehen erregte zuvor auch ein Kunstobjekt in der Altstadt: Ólafur Elíassons berühmter Regenbogen-Glaskorridor auf dem Dach des Aarhuser Kunstmuseums sorgte für ein großes mediales Echo. Wer immer es ist, mit dem man in der Stadt spricht, es wird spürbar, wie gut der Erfolg allen tut – nicht nur den Planungsbeteiligten. „Aarhus war bisher immer Kopenhagens hässliche kleine Schwester“, sagt Jens Bager. Damit dürfte es nun ja vorbei sein.

„Architektur und  Ereignis“ – mehr über das Leuchtturmprojekt „Eisberg“ in Aarhus im Baumeister 11/2014

Fotos: Mikkel Frost

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