01.10.2014

Portrait

Anttinen Oiva Architekten

Wie für viele andere finnische Architekten, war auch für Selina Anttinen und Vesa Oiva ein Wettbewerbserfolg der Anlass, ein eigenes Büro zu gründen. Sie profitierten dabei vom offenen finnischen Wettbewerbssystem, das sogar angestellte Architekten als Teilnehmer zulässt, und ebenso vom Vertrauensvorschuss für junge Architekten, die häufig mit der Realisierung eines siegreichen Entwurfs beauftragt werden, ohne dass ihnen ein erfahrenes Büro zur Seite gestellt wird.

Wie viele junge Talente in Finnland sammelte auch Vesa Oiva bereits als angestellter Architekt (bei seinem Professor in Oulu) genügend Erfahrung, um schließlich den „Sprung ins kalte Wasser“ (für die ans Baden im Eiswasser gewöhnten Finnen keine Schreckensvorstellung!) wagen zu können. Als er 2005 den Wettbewerb für die ökumenische Lilja-Kapelle im Rahmen einer Bauausstellung in Oulu gewann, hatten er und seine Frau und zukünftige Büropartnerin Selina Anttinen noch nicht mal ihr Studium beendet. Im Jahr darauf konnte das nun frisch diplomierte Architektenpaar dann sein erstes Bauwerk realisieren: ein transportables dreiflügeliges Nur-Dach-Haus als kontemplativer Ort der Meditation, in dem die hölzernen raumumschließenden Flächen dem Auge Ruhe bieten. Das dosiert in die Kapelle einfallende Licht spielt als wichtigster „Baustoff“ die Hauptrolle.

Junge Architekten müssen selbst nach einem frühen Erfolg oft erst mal jahrelang weiter „Wettbewerbe schrubben“, sich mit Schwarzbrotaufträgen wie Flächennutzungsplänen über Wasser halten – und letztlich auf einen erneuten Wettbewerbserfolg hoffen. Nach rund dreißig erfolglosen Versuchen war es dann 2008 endlich soweit: Als zugelostes Büro gewann AOA den Wettbewerb für das „Kaisa-Haus“, die Universitätsbibliothek im Zentrum von Helsinki. Ein Traumauftrag und zugleich eine äußerst komplexe Bauaufgabe, bei der es darum ging, einem bestehenden Block nahe des prominenten Senatsplatzes einen L-förmigen, 30.000 Quadratmeter umfassenden Baukörper einzuverleiben.


Helsinki University City Centre Campus Library in Finland by AOA architects.

Helsinki_Uni Zentralbibliothek_Anttinen Oiva

Die rotbraunen Ziegelfassaden fügen sich in den stadträumlichen Kontext ein, zugleich setzen sie mit ihrem Wechsel von kleinen, in einem regelmäßigen Raster angeordneten Fenstern und großen parabelförmigen Öffnungen auch einen betont modernen Akzent. Innen überrascht das Bauwerk mit geradezu barock anmutenden Einschnitten in den Geschossdecken, die einerseits die Zahl der Leseplätze mit Aussicht nach draußen erhöhen und andererseits dafür sorgen, dass Tageslicht bis in die Zugangsebene fünf Geschosse unter dem Dach gelangt.

Mit dem Kaisa-Haus ist so etwas wie ein Prototyp einer jungen finnischen Architektur entstanden, die sich einerseits auf die bewährten Maximen älterer Generationen beruft und andererseits ihren ganz eigenen gestalterischen Ausdruck findet.

Derzeit arbeiten Selina Anttinen und Vesa Oiva vor allem an der sogenannten Holzstadt in Helsinki, einem achtstöckigen, gemischt genutzten Quartier am Eingang zum neuen Stadtviertel Jätkäsaari. Voraussichtlich wird es 2016 vollendet werden – als dann größtes Konglomerat moderner Holzfertigteilbauten in Finnland: zwei Wohnhäuser, ein Bürogebäude und ein Hotel, die aus vorfabrizierten Modulen – massiven Brettsperrholzelementen – errichtet werden. Als Referenzprojekt für die finnische Holzbaukompetenz ist diesem Projekt schon jetzt eine große Aufmerksamkeit sicher, auch über die Grenzen Finnlands hinaus.

“Vom leichten Leben als junger Architekt” – mehr über Anttinen Oiva Architekten und andere Newcomer ab 1. Oktober im Baumeister 10/2014

Fotos: Matti Ojala, Tuomas Uusheimo

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